Colors faded into D A R K N E S S
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Kapitel 5
...in neuen und alten Zeiten...

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier - Der Körper gewöhnt sich mit der Zeit an so ziemlich jeden Zustand, in den man ihn versetzt. Wahrscheinlich stört mich deshalb der nächtelange Schlafentzug nicht mehr.
Ist die Nacht verglichen mit dem unwirklich hellen Tageslicht doch sehr viel schöner.
Nichts, was dich blenden kann. Nur die kühle des Mondes.
Nichts, was dich mit der Zeit taub macht. Höchstens das leise Rauschen des Windes.
Ja, nachts sehe ich viel klarer. Dann, wenn mich niemand sieht. Wenn ich diejenige bin, die sich nichts vorzumachen braucht, die glaubt zu wissen, auf was es ankommt; die Einzige, die die Wahrheit kennt.
In solchen Momenten frage ich mich, wo sie war und was wir Kinder ihr getan hatten, dass sie offensichtlich nicht bei uns sein wollte.
Immer wieder. Schon tausende Male habe ich mir Antworten zurecht gelegt.
Wahrscheinliche, unwahrscheinliche, schöne und schlechte. Ich malte mir die Szenen kunterbunt und schwarz-weiß aus.
Am Tag vor den Sommerferien kam ich nach Hause. Ich wollte ihr stolz mein Zeugnis zeigen. Als ich es ihr vorlegte warf sie nur einen flüchtigen Blick darauf und setze krakelig ihre Unterschrift auf die dafür vorgesehene Zeile.
Als ich zum ersten Mal meine Periode bekam saß ich allein auf der Kante der Badewanne und las mit zitternden Händen die Packungsbeilage der Tampons die ich meiner Schwester heimlich geklaut hatte.
Wo war sie, als ich im Hinterhof mit ein paar Freundinnen meinen fünfzehnten Geburtstag feierte? Sie hatte versprochen, sie würde mir helfen, alles vorzubereiten und mir sogar einen Kuchen backen. Ich hatte mir rot-weiße Kerzen darauf gewünscht. Weiter nichts.
Am Ende jenes Abends half Julia mir leere Bierflaschen und Chipspackungen zu entsorgen, bevor die Nachbarn sich beschwerten.
Mittlerweile denke ich mir nicht mehr viel dabei, wenn ich alleine bin.

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Am Morgen mache ich mich schnell für die Schule fertig. Ich stehe auf, tapse ins Badezimmer und ziehe mich an. Eine schwarze Hose und einen dünnen, grauen Pulli. Meistens trage ich unauffällige und gedeckte Farben. Sogar im Sommer.
Ich will mich nicht fühlen wie ein Clown. Vor denen hatte ich schon immer Angst. Sie machen immer den Eindruck, als würden sie jeden Moment ihre Maske fallen lassen und ihr wahres Gesicht - eine hässliche Fratze - zeigen. Unter dem roten Mund verstecken sich in Wahrheit vernarbte Lippen und unter der aufgesetzten Nase sicht nur ein Knochen hervor. Leere Augen und ohne Perücke ein ungleichmäßig geschorener Kopf.
Darüber lacht die Menschheit? Lächerlich.
Jedes Mal frage ich mich - Sind sie alle blind?

Als ich fertig bin gehe ich noch einmal kurz in mein Zimmer und werfe schnell alle meine Schulsachen in meine Tasche. Ich beeile mich, obwohl ich noch eine gute dreiviertel Stunde Zeit habe, bis der Unterricht beginnt.
Solche Tage habe ich gerne, an denen ich mich nur um mich kümmern kann. Einmal die Welt um mich herum vergessen. Ganz ausblenden kann ich sie nie, doch als die Wohnungstür hinter mir ins Schloss fällt, seufze ich erleichtert auf.
Den Weg zur Schule finde ich im Schlaf und eigentlich bräuchte ich zu Fuß auch gerade einmal zehn Minuten. Doch ich mache einen Umweg, für den ich um einiges länger unterwegs bin. Es ist nicht mehr richtig dunkel, doch die Straßenlaternen brennen noch, als ich mich schnellen Schrittes auf in Richtung Bahnhof mache. Das mache ich nur Montags. Die von allen verhassten Montage - ich liebe sie. Das hat viele Gründe. Der Spaziergang zum Bahnhof ist nur einer davon.

Zum ersten Mal sah ich ihn vor ein paar Wochen auf der halbhohen Mauer sitzen, als ich mit Christin, meiner besten Freundin in das Fastfood Restaurant direkt neben dem Bahnhof ging. Damals hatte sie Geburtstag und lud mich ein.
Wir liefen an ihm vorbei, er viel mir auf, ich viel ihm nicht auf.
Er bemerkte noch nicht einmal, dass wir an ihm vorbeigingen. Dabei tat er gar nichts. Saß nur auf der Mauer und sah unter seiner Mütze hinunter auf den Boden.
Aber sogar das, was er nicht tat faszinierte mich auf eine Art und Weise, die ich nicht wirklich verstand und ich fragte mich, ob Christin diese Ausstrahlung auch bemerkte.
“Schau mal.”, machte ich sie auf ihn aufmerksam und nickte in seine Richtung.
“Der?”, fragte sie etwas ungläubig, “Kennst du ihn?”
“Nein.”
Christin sah mich fragend an. Sie verstand wohl nicht, was ich meinte und eigentlich wollte ich es ihr auch nicht erklären.
“Vergiss es einfach.”, schmunzelte ich. Dieses Gefühl behielt ich erst einmal für mich.
Wir saßen eine ganze Zeit lang einfach da und quatschen über alles, was uns einfiel. Familie, Schule, Freunde und Bekannte und alte Zeiten. Wir gaben vorbeilaufenden Leuten irgendwelche Namen. Lachten und lästerten. Wir lebten.
Irgendwann hatten wir genug. Unsere Bauchmuskeln hatten sich vor lauter Gelächter bemerkbar gemacht. Außerdem war es spät geworden und ich wollte nicht unpünktlich zu Hause sein.
Da saß er immer noch auf dieser Mauer. Unverändert. Allerdings viel mir auf, dass er nicht gar nichts tat, sondern anscheinend Musik hörte. Ich wollte noch einmal an ihm vorbeilaufen. Wie kindisch, dachte ich mir, aber trotzdem konnte ich nicht anders und zog Christin hinter mir her. Ich redete unnatürlich laut, damit er auch ja hörte, wie viel Spaß wir beiden hatten. Aber nichts geschah.
Innerlich enttäuscht gingen ich ein paar Meter weiter als Christin plötzlich stehen blieb und sagte: “Warum hassen so viele Leute Montage?”
Verdutz drehte ich mich um und verstand nicht recht, was sie meinte. Doch als sie auf das T-Shirt deutete, das der Junge trug begriff ich, wovon sie sprach. Es hatte den Aufdruck “I denkt  like Mondays”. Aus einem Grund den ich selbst nicht genau wusste, musste ich herzlich lachen und Christin lachte mit, obwohl die Situation eigentlich überhaupt nicht komisch war.
Doch das war genau das, was ihn hat auf uns Beiden aufmerksam werden lassen. Wenn auch nur flüchtig schielte er in unsere Richtung. Ich mochte mich täuschen aber ich bildete mir ein, er habe sogar seine Musik leiser gestellt. Dann gingen wir.

Im Nachhinein betrachte glaube ich, dass wir uns ziemlich lächerlich gemacht hatten. Peinlich ist mir das ganze aber überhaupt nicht. Ich erinnere mich gerne daran zurück. Solche Glücksmomente sind wie Diamanten, selten und äußerst wertvoll. Jedenfalls für mich. Seitdem habe ich beschlossen, jeden Montag zum Bahnhof zu laufen. Tagsüber bleibt dafür keine Zeit, doch morgens vor der Schule geht das.
Es grenzt schon fast an ein Wunder. Als ich zum ersten Mal früh morgens ziellos an den Gleisen stand, war er nicht da. Beim zweiten Mal zweifelte ich fast an meinem Verstand und kam mir ziemlich schräg vor, wie ich dort alleine Stand. Aber auch dieses Gefühl verflog von einer Sekunde auf die andere, als ich ihn auf einer Metallgitterbank an Gleis 3 sitzen sah. Diesmal ohne Mütze und mit vom Wind durcheinander gewehten Haaren, die ihm über die Augen vielen und mir verboten, von meiner Position aus sein Gesicht zu sehen. Doch näher herangehen wollte ich nicht. Hätte er mich bemerkt, wäre ich mir albern vorgekommen. Sicherlich hätte es ausgesehen, als wollte ich mich an ein wildes Tier heranschleichen.

Heute bin ich mir sicher, dass er da ist. Nur selten hat mein Bauchgefühl mich bis jetzt in die falsche Richtung geführt. Die letzen Meter durch zwei kleinere Seitenstraßen renne ich fast und werde abrupt langsamer, sobald ich die Bushaltestelle vor dem Bahnhofsgebäude erreiche. Ich atme ein paar Mal durch und versuche meinen Herzschlag wieder zu normalisieren. Denken muss ich nicht mehr, meine Füße gehen den Weg - an den Ticketautomaten vorbei, durch eine Unterführung die mit Graffies beschmiert ist hindurch und die Treppen auf der linken Seite hinauf - von ganz alleine. Außer dem Bahnpersonal sind um diese Zeit nicht viele Leute unterwegs. Alle Berufstätigen sind wohl schon eher abgefahren.
Am Gleis angekommen spähe ich nach rechts. Sitzt er da, oder sitzt er nicht da.
Ich wusste es.
Dieses Bild werde ich wohl nie mehr vergessen, seit ich es das erste Mal gesehen hatte.
Er sitzt im Schneidersitz auf einer Bank, mit Musik in den Ohren und Kapuze tief im Gesicht. Bei genauem Hinsehen erkennt man sogar, dass er mit den Fingern den Takt auf sein Knie klopft. Manchmal versuche ich auch zu erraten, welches Lied er sich gerade anhört. Ich überlege, wie es wäre, ihn einfach zu fragen und ob er mich mithören lassen würde. Vielleicht würde es auch schon reichen mich mit auf die Bank zu setzen. Es ist noch reichlich Platz. Allerdings sind nebenan noch zwei andre ganz unbesetzt, deshalb verwerfe ich die Idee gleich wieder.
Genau neun Minuten sehe ich ihm immer zu, dann kommt sein Zug.
Er wird auch heute kommen.
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