Colors faded into D A R K N E S S
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Kapitel 9
...Märchenstunde...

Die Nacht bricht nicht plötzlich schwarz und sternenklar herein.
Ich muss eingeschlafen sein, kurz nachdem ich zu Hause war.
Es ist schon nach zwölf als ich aufstehe und mich als erstes aus meinen Klamotten quäle, die ich seit heute morgen trage.
Die Hose hat vom Liegen rote Spuren auf meiner Haut hinterlassen.
Noch benommen öffne ich den Kleiderschrank und nehme eine bequeme Stoffhose und ausgewaschenes Shirt heraus. Rasch ziehe ich mich um und gehe anschließend in die Küche um eine Flasche Wasser zu holen.
Aus dem Wohnzimmer sind noch Stimmen zu hören. Wieder mal hat jemand den Fernseher laufen lassen. Barfuß schleiche über den Flur, der wie mir sofort auffällt, gewischt werden muss. Staub und Krümel kleben schon an mir fest. Einfach widerlich.
Bin ich denn die Einzige, die in dieser Wohnung Wert auf Ordnung und Sauberkeit legt? Jedoch verkneife ich es mir zu fluchen, da ich niemanden zu dieser späten Stunde wecken will.
Der Fernseher ist tatsächlich noch an. Geraden werden die Talkshows aus dem Nachmittagsprogramm wiederholt. Als Thema steht ‘Rabenmutter - Warum vernachlässigst du deine Kinder?’ im Raum.
“Na wunderbar.”, flüstere ich und merke zu spät, dass ich gar nicht alleine bin.
Saskia liegt im Halbschlaf auf dem Sofa und streckt sich unter ihrer Kuscheldecke. Zum Glück habe ich sie nicht erschreckt.
Jetzt ein weinendes Kind zu trösten wäre das Letzte, auf was ich Lust hätte. “Na Maus, du bist ja gar nicht im Bett.”, sage ich stattdessen und setze mich liebevoll zu ihr.
Wo verdammt noch mal steckt Julia? Sie sollte heute Babysitten und zusehen, dass die Kleine pünktlich schlafen geht! Stattdessen lässt sie sie allein die halbe Nacht fernsehen. Ungläubig schüttle ich den Kopf, drücke schnell auf die Fernbedienung um den Flimmerkasten aus zu schalten und wende mich fürsorglich den Bedürfnissen meiner Schwester zu.
“Komm, nimm die Decke mit, ich bring ins Bett.”
“Ich hab aber Hunger.”
Nicht das auch noch. Julia scheint heute um rein gar nichts gekümmert zu haben.
Um nicht nur Spekulationen anzustellen frage ich dann doch nach, als ich mit Saskia in der Küche sitze und sie müde ein Joghurt löffelt.
“Hat die Julia dich heute abgeholt?”
“Hmm.”
“Und hat sie dir etwas zu essen gemacht?”
Saskia schüttelt den Kopf. “Ne, die hat gesagt die Mama macht was. Aber die hat gar nix gemacht und geschimpft weil du geschlafen hast. Ich hab gar nicht gewusst warum die so böse auf die Julia war. Dann ist die weg gegangen.”
Mitleid überfällt mich und ich streiche der Kleinen durch ihre blonden Locken. “Morgen hol ich dich wieder ab, ja?”
“Ich war schon ganz traurig weil du nicht mich abgeholt hast und…”, sie macht eine kurze Denk- und Atempause bevor sie weiter erzählt, “Und, und wie die Julia mich geholt hat war die auch so schlecht gelaunt und ich mag nicht wenn jemand schlecht gelaunt ist.”
Jedes ihrer Worte sticht mir wie ein Dolch ins Herz.
Sie klingt so unendlich traurig.
Traurig wie eine Kinderseele nur traurig sein kann.
Was muss sie Tag um Tag erleiden.
Sie hat niemanden, der ein offenes Ohr für ihre Abenteuer hat. Niemanden, dem sie von einem Streit mit einer Freundin erzählen kann. Niemanden, der sie umsorgt wenn sie einen langen Schultag hinter sich hat.
Ich kann nicht immer für sie da sein. Ich schaffe das nicht. So gern ich es wäre, ich kann nicht für sie da sein, wie eine Mutter es sein müsste.
Die Folgen lassen nicht auf sich warten. Am Ende der ersten Klasse tut sie sich immer noch schwer einfachste Mathematikaufgaben zu lösen oder kurze Wörter flüssig zu lesen.
Wie soll sie das auch können, wenn es ihr niemand beibringt.
Ich muss alle meine Kräfte zusammennehmen um nicht vor ihren Augen in Tränen auszubrechen.
Irgendetwas muss sich ändern.
Als Saskia den Becher leer gelöffelt hat schicke ich sie ins Badezimmer zum Zähneputen, was sie nach kurzem Widerwort auch tut. “Aber ich will nicht schlafen!”, protestiert sie dennoch lautstark. Da ich um diese Uhrzeit keine Lust mehr auf einen Streit habe schlage ich vor, ihr im Bett noch eine kurze Geschichte zu erzählen. “Aber eine selber ausgedachte!”
Gut, wie sie möchte, Hauptsache sie hört auf mich.

“Was willst du denn für eine Geschichte hören?”, frage ich und decke sie bis zum Hals hin zu.
“Ähh, eine mit einer Prinzessin und einem Pferd! Ich kenn ein Pferd das heißt Isabella und ist lila und immer wenn die Prinzessin vom Wolkenschloss ISABELLAAA ruft dann kann es fliegen und kommt ganz schnell angedüst!”, erzählt Saskia ihre Geschichte selbst, so laut, dass ich Angst habe die Nachbarn könnten wach werden. In der Wohnung scheint ja außer uns niemand zu sein.
Vorsichtig lege ich ihr einen Finger auf die Lippen. “Pscht, die anderen Leute schlafen schon.”, flüstere ich mit einem Lächeln. Peinlich berührt kichert sie und redet sehr viel leiser, doch trotzdem mit vollem Elan weiter. “Aber  die Isabella gehört nämlich gar nicht der Prinzessin weil die nämlich dem Prinz gehört und der ist auch immer böse wenn die Isabella einfach abhaut.”
“Lernt die Prinzessin den Prinzen denn auch kennen?”
“Ja na klar! Und dann sagt der Prinz der Prinzessin die kann die Isabella behalten weil die Isabella will lieber immer zur Prinzessin gehen. Im Wolkenschloss ist es doch viel schöner!”
“Bestimmt ist es da wunderschön.”, sage ich und merke, wie sie langsam die Augen schließt.
Es dauert keine ganze Minute mehr und Saskia schläft tief und fest.

Ich lösche das Licht und gehe selbst ins Bad um mich zu duschen.
Das monotone Summen der Lüftung ertönt und ich sehe abgespannt in den Spiegel. Obwohl ich einige Stunden ungestörten Schlaf hinter mir habe sehe ich müde aus. Mein aschblondes Haar hängt leblos herunter und die wenige Schminke die ich am Morgen aufgetragen habe ist ein wenig verschmiert.
Ich fühle mich nicht nur älter als ich eigentlich bin, ich sehe auch älter aus. Sie sind nicht da, doch trotzdem sehe ich ausgeprägte Falten um Augen und Mund.
Keine Lachfalten. Leider.
Meine blasse Haut wirkt zudem auch noch fahl und ausgetrocknet. In diesem Moment hasse ich mein Spiegelbild. Es zeigt mir überhaupt nichts besonderes.
Nichts, was ich besonders hübsch finden könnte. Alles an mir hat mit der Zeit Spuren des Todes angenommen.
Als ich mein T-Shirt ausziehe treten meine Schlüsselbeinknochen deutlich hervor, passend zu meinen markanten Wangenknochen und den eingefallenen Gesichtszügen. Ich will gar nicht wagen an mir hinunterzusehen. Auf meinem gesamten Körper scheint ein Grauschleier zu liegen. Eine zweite Haut aus Rauch und Nebel.
Langsam drehe ich das Wasser auf und stelle mich unter das warme Nass. Es befreit ein wenig von der inneren Kälte die in mir herrscht.
Nur allzu gerne würde ich etwas ändern.
Doch die Baustelle Leben ist so groß, dass ich den Überblick verloren habe und nicht weiß, wo ich anfangen soll.
Ich wasche mir die Haare und lasse den Schaum über meine Arme laufen. Er brennt in den noch frischen Schnittwunden der vergangenen Tage.
Was habe ich mir nicht alles vorgenommen… Ich wollte mein altes Verhaltensmuster ablegen und stattdessen positiver an die Dinge herangehen. Nicht mehr so schwarzmalerisch sein.
Nach dem heutigen Tag kann ich mir das von der Backe putzen.
Ich schiebe die Momentaufnahme meiner Entschlossenheit erst einmal weg um Platz für etwas leichtere Gedankenkost zu machen.
Saskias Märchen zum Beispiel.
Die Fantasie meiner Schwester bringt mich immer wieder zum Schmunzeln.
Ein lila Pferd mit Flügeln. Sehr niedlich.
Und ein aufgeschlossener Prinz der seinem aufsässigen Gaul die Freiheit lässt, über sein Wohl selbst zu entscheiden. Eine wunderbare Geschichte, die bei genauerer Überlegung auch noch einen tiefen, moralischen Sinn hat. Dass das sicher nicht die Absicht einer Sechsjährigen ist, ist mir natürlich klar.
Doch Moment.
Von einer Sekunde auf die andere treffe ich eine folgenschwere Entscheidung, auch wenn ich es weder geplant habe, noch jemals wollt, dass es so kommt.
Ich brauche Hilfe, ohne Zweifel, Tage wie heute können kein Dauerzustand werden. Doch genau das droht zu geschehen und im Sinne aller will ich handeln.
Wie ich meine gedanklichen Schritte Realität werden lasse weiß ich noch nicht, doch ich war noch nie entschlossener etwas wirklich zu tun.
Ich stelle das Wasser ab, wickle mich in ein Handtuch und sehe noch einmal in den Spiegel.
Ich kann natürlich etwas tun. Für die Freiheit und das Wohl unserer ganzen Familie. Oder dem, was davon noch übrig ist.
Mit diesem neu erlangten Mut und voll und ganz motiviert schenke ich meiner immer noch grauen Fassade ein ernst gemeintes Lächeln.
Es ist Zeit für Veränderungen. Jetzt bevor es zu spät ist.
Saskia wird sicher nie erfahren, dass sie sich selbst das Leben gerettet hat, aber ich werde es ihr nie vergessen.
Ich trockne mich und denke dabei an Lukas.
Was dachte ich? Ich bräuchte jemanden wie ihn, der mir gut zuspricht und weiß was ich denke, damit ich mich ändern kann und aus meinem Sumpf herauskomme? Nein. So ist es nicht.
Es tut gut zu wissen, ihn getroffen zu haben. Doch mehr ist es nicht.

Mit etwas wie einem Glücksgefühl gehe ich wieder in mein Zimmer und fange dort an meine Hausaufgaben zu machen. Mittlerweile ist es halb zwei doch ich bin putz munter. Die Aufgaben gehen mir leicht von der Hand und ich brauche nicht lange. Danach höre ich leise noch etwas Musik, liege dabei im Bett und lasse die ruhigen und Töne auf mich wirken.
Doch trotz meines Intusiasmus’ mache ich mir Sorgen um Julia. Immer öfter bleibt sie jetzt über Nacht weg, ohne sich zu melden, oder bescheid zu geben wo und wie man sie erreichen kann.
Das meine Mutter heute nicht da ist, wundert mich nicht. Was sie betrifft ist es nichts ungewöhnliches sie nicht zu Hause zu sehen.
Jedoch ein kleines Kind allein in der Wohnung zurück zu lassen geht zu weit.
Sie wird es noch früh genug merken, was ihr fehlt, wenn ich durchsetzen kann, was ich für richtig halte.

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